Juliusz Słowacki: Lilla Weneda als deformierte Tragödie

Rolf Fieguth, Fribourg

Lilla Weneda als deformierte Tragödie[1]

Lilla Weneda spielt in einer phantastischen historischen Frühzeit und stellt in historisch phantastischer Weise die Entstehung des polnischen Volkes aus der Situation einer blutigen Unterwerfung und Vernichtung dar. Die in einer magischen Welt lebenden, am großpolnischen Gopło-See ansässigen Weneder werden durch die trivial-realistischen Lechiten[2], die von weither gekommen sind, geschlagen und vernichtet. In den Konflikt zwischen den beiden Völkern spielt fatal das christliche Missionswerk des ‚komischen Heiligen’ Gwalbert (ein dicker Don Quijote) und seines noch komischeren Dieners Ślaz („Malve“ oder „Fettmagen“; ein dünner Sancho Pansa) hinein, die sich zunächst den Wenedern, dann aber den siegreichen Lechiten zuwenden. Die Handlung umfasst die zwei großen Phasen der Schlacht bzw. des Schlachtens zwischen den Völkern – die erste Niederlage der Weneder wird im Prolog vergegenwärtigt, die letzte und endgültige im 5. Akt. Dazwischen liegt u.a. die durch die Zauberkraft Rozas bewirkte wundersame Vermehrung des Kriegsvolks der Weneder, welche den Lechiten zunächst Angst und Schrecken einjagt, die erwähnte Missionsaktion des Heiligen Gwalbert, und insbesondere der Ablauf der Wette[3] zwischen der wenedischen Königstochter Lilla, Inbegriff christlicher Milde und Selbstaufopferung, und der aus Island stammenden grausamen lechitischen Königin Gwinona um den gefangenen wenedischen König Derwid, seine Wunderharfe und seine gleichfalls gefangenen Söhne Lelum und Polelum. Die Weneder verlieren am Ende trotz kräfte- und zahlenmäßiger Überlegenheit über die Feinde jeden Kampfesmut und lassen sich fatalistisch abschlachten oder enden in heroischer Selbstvernichtung. Übrig bleibt Roza Weneda, Priesterin, Kassandra, und Rächerin. Sie wird aus den Aschen der Helden einen neuen Helden gebären (Prolog, vv. 135-150). Über dem Scheiterhaufen der Geschlagenen, auf dem auch die Asche der ermordeten Lilla Weneda liegt, erscheint eine Marienvision.

Ein Ursprungsmythos des polnischen Volkes wird in Lilla Weneda aus einem unversöhnten Widerspruch zwischen zwei feindlichen Elementen konstruiert. Es ist ein Mythos von ostentativ künstlicher und synthetischer Art, wegen seiner zahlreichen Anspielungen auf bekannte weltliterarische oder historische Motive, aber auch aufgrund einer Mischung aus Katastrophe und Farce. Es ist offenkundig, dass Słowacki hier seine persönliche Diagnose der katastrophalen polnischen Gegenwart nach 1831 entfaltet – ganz unverschlüsselt legt er sie im zweiten Anhangsgedicht Grób Agamemnona dar[4]. Die radikale Ablehnung der geschlagenen Weneder, sich auf irgendeinen Kompromiss mit den Siegern einzulassen, geht bis zur kollektiven Selbstvernichtung, und sie ist offensichtlich als harte Kritik (gewiss auch als persönliche Selbstkritik) an den tatsächlichen Verhaltensweisen der zeitgenössischen modernen Polen gedacht, die sich nach der Niederlage meistens zu Kompromissen mit den Siegern zwingen lassen mussten[5]. Die Einzige, die aus der Solidarität des wenedischen Widerstandes immer wieder ausbricht, ist die Titelfigur Lilla Weneda. Im Kampf um das Leben ihres Vaters bietet sie Gwinona und den Lechiten mehr als einmal ohne Hintergedanken ihre Dienstbereitschaft an.

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Die Wahl der Tragödienform ist Teil einer umfassenden Intertextualität, die Słowacki hier, wie auch schon in seinen früheren Werken, demonstrativ zur Schau stellt. Jede Gestalt, jedes Motiv, jede Situation steht unter dem Verdacht, rezykliert zu sein, und zwar aus dem zeitgenössischen Leser wohlbekannten internationalen und nationalen Texten. Witold Gombrowicz hat später in seinem Theaterstück Ślub durch ostentative Rückbezüge auf weltbekannte Dramen wie Shakespeares Hamlet, Goethes Faust und Mickiewiczs Dziady aus analogen Gründen ein analoges Verfahren verwendet. Bei Słowacki und bei Gombrowicz entspringt die Rezyklierung bekannter Formen und Motive der bewusstseinsklärenden Einsicht in die sozusagen anthropologische Unauthentizität des modernen Menschen. Moderne menschliche Kollektive, das moderne Individuum und damit der moderne Autor können allesamt nichts Authentisches und Originelles mehr schaffen[6] – aber die klare Einsicht in diesen Zustand kann ihnen auch zu einer paradoxen Funktionsauffrischung der gebrauchten oder verbrauchten Formen verhelfen.

In Lilla Weneda gilt dies alles mutatis mutandis auch für die Tragödienelemente des Stücks. Schon das Vorwort – ein hoch romantischer Brief an den „Endymion“ Zygmunt Krasiński[7] – thematisiert die Vermischung der Tragödie mit allen denkbaren anderen Elementen. allen voran mit solchen der Komödie, wofür die Namen Shakespeare und Molière einstehen –  eine romantische Tragödie ist ja ohne Komödienelemente auch kaum zu denken. Der Autor erinnert ferner an die epischen Traditionen, nämlich an die Edda (Gwinona), das Rolandslied (Lech), Macphersons Ossian, der eine erhebliche Rolle für das Stück spielt, aber auch an Byron. Explizit werden weiterhin Voltaire und Rousseau erwähnt. Zu den literarischen Anspielungen kommen Anknüpfungen an antike Skulpturen und an Gemälde, namentlich Raffaels Madonna-Darstellung – bereits im Vorwort, in reichlichem Maß aber auch im Haupttext der Tragödie.

Darüber hinaus sei an die beiden Gedichte im Anhang zu Lilla Weneda erinnert, durch welche das lyrische Element nicht nur implizite ins Spiel gebracht wird. Die äußere Form der Tragödie dient hier also unter anderem auch einer Demonstration der Synthese der Gattungen, und darüber hinaus der Künste einschließlich der Musik, die durch Chorgesang und Lieder einzelner Protagonisten (Roza) gleichfalls präsent ist.

Auf die Form der griechischen Tragödie rekurriert Słowacki aber in Lilla Weneda stärker als in seinen vorangegangenen Dramen[8], was er auch im Vorwort deutlich hervorhebt. Die Wahl dieser Form verschafft ihm die Möglichkeit, seine demonstrative Intertextualität, seinen Hang zu paradoxen Stilkontrasten, eigentümlichen Personen-Konstruktionen und Situationseffekten möglicherweise noch wirksamer auszuspielen als in seinen früheren Dramen.

Im Vorwort verweist Słowacki in diesem Zusammenhang auf Euripides, Aischylos, Shakespeare, Calderón, Alfieri und Schiller. Allein die Aneinanderreihung dieser Namen deutet darauf hin, dass man bei Słowackis Umgang mit der Tragödienform nicht mit einem bestimmten, original altgriechischen Tragödienbegriff rechnen kann[9]. Die ‚typischen Elemente’ der Tragödienform, die in Lilla Weneda evoziert werden, und sei es ex negativo, werden aus verschiedensten Epochen bezogen.

Aus der frühneuzeitlichen Tragödie werden die fünf jeweils in Szenen eingeteilten Akte übernommen, ihr Sinn aber durch die systematische Verletzung der Regel von der Einheit von Raum, Zeit und Handlung verkehrt, oder auch wiederhergestellt. Słowacki verletzt auch noch die Regel, wonach ein Akt in denselben Kulissen und damit in demselben Raum spielen sollte. Der häufige Wechsel zwischen dem Raum der Lechiten und dem Raum der Weneder erzwingt daher entweder die Verwendung einer Drehbühne, was um 1840 theatertechnisch möglich gewesen wäre und den szenischen Gesamtraum als bewegten Wirbel darstellen würde, oder eine szenische Vereinheitlichung dieser beiden Räume bei unbeweglicher Bühne und minimalem Kulissenwechsel von Szene zu Szene. Beide Lösungen laufen auf eine gewisse Synthetisierung des einen Bühnenraums hinaus, in den verschiedene Raumideen hineinprojiziert werden.

Der Einsatz eines besonders handlungsrelevanten Dingsymbols, hier der wenedischen Wunderharfe, die ihrer Kraft beraubt ist oder wird, ist zweifellos ebenfalls Zitat aus einer neuzeitlichen Tragödienkonzeption[10]. Immerhin werden im Vorwort auch Shakespeare, Calderón, Alfieri und Schiller zitiert.

Der ostentative Bezug auf die altgriechische Tragödie wird insbesondere durch die Einführung eines Chores[11] hergestellt, der die einzelnen Akte jeweils abschließt – eine in moderner Zeit seit Schillers Braut von Messina höchst umstrittene und darum besonders auffällige Sache. Darüber hinaus sind weitere charakteristische Elemente der altgriechischen Tragödie vorhanden, und sei es als Formzitate: Prolog, Botenbericht, Stichomythie. Ferner finden sich nicht wenige Anspielungen auf Personen, Situationen und Mythen der antiken Tragödie und damit der ganzen antiken Mythologie vor, wenngleich oft in seltsamer Verkehrung und Mischung untereinander sowie mit außergriechischen – keltischen und nordischen – Inspirationen und Motiven. Der Wenederkönig Derwid vereint ossianische, alttestamentliche und Shakespearesche Züge mit Anspielungen auf Priamos und Ödipus. Die Titelheldin erinnert – abgesehen von der mystifizierten Julia-Apulina-Legende des Vorworts – an Antigone und Iphigenie zugleich. Die aus Island stammende Gwinona lässt nicht nur an Figuren der Edda, sondern auch an Medea denken. Roza Weneda, „Aischyleische Eumenide“ (Słowacki), steht außerdem noch Kassandra und Elektra nahe, ihre Brüder Lelum und Polelum sind dem Motiv Kastor und Pollux/Polydeukes nachgebildet[12].

Weder die offenkundige Privilegierung von Elementen der antiken Tragödie, noch deren Untermischung mit neuzeitlichen und tragödienfremden Elementen ist willkürlich, sondern hängt mit der Gesamtheit des Bedeutungsaufbaus von Lilla Weneda zusammen. Dieser soll im Folgenden anhand einer annähernden Funktionsbestimmung der Tragödienelemente in Lilla Weneda entfalter werden.

Mir scheint, dass dieses Theaterstück in allererster Linie die Vitalität und Dynamik der original altgriechischen Tragödie für seine Zwecke benützt.Die reiche Phantasie, Buntheit und vor allem auch die Blutrünstigkeit der klassischen Tragödie wird hier der Romantik anverwandelt und damit die Tradition der gesitteten, abstrakten Tragödie des Klassizismus verletzt, darunter auch Goethes Streben nach Aufklärung und Humanisierung in seiner Version von Euripides’ Iphigenie auf Tauris. Mit ihren Bluträuschen und ihren horrorfördernden Komik-Elementen ist Lilla Weneda ein geradezu radikaler Anschlag auf einen Tragödientyp dieser gesitteten Art.

Ferner wird aber auch das Moment  des tragisch Erhabenen auf teilweise sehr unerwartete Weise eingesetzt. Es erfasst insbesondere die Weneder mit ihren individuellen Vertretern Roza, Derwid, Lelum und Polelum, und ihre magische Religion, die ihnen nicht mehr hilft, ihnen keinen Glauben mehr einflößt, und mit ihnen im Stil einer Götterdämmerung[13]untergeht. Dieser Erhabenheit tut keinen ernstlichen Abbruch, dass offenbar alles am religiösen Universum der Weneder aus dem Ossian rezykliert ist, mit einigen Beigaben aus der Edda[14]. Das in der altgriechischen Tragödie waltende Fatum wird in Lilla Weneda aber keineswegs nur positiv eingesetzt, sondern in paradoxer Weise auch beschädigt und untergraben. Das geschieht unter anderem dadurch, dass im Konflikt zwischen den beiden Völkern nicht das edlere siegt, sondern sich vom unedleren am Ende mehr oder weniger widerstandslos abschlachten lässt.

In diesem Punkt findet eine geradezu groteske Überblendung von Motiven statt. Das Motiv des gescheiterten polnischen Aufstands (poln. powstanie) gegen die Fremdherrschaft[15] wird in die mythische Entstehung (poln. gleichfalls: powstanie) des polnischen Volkes hineinprojiziert. Auf diese Weise kommt ein ungemein nationalkritischer Akzent in die Sache hinein[16]. Man vergleiche dazu den Anfang eines späteren Gedichts:

 Kiedy prawdziwie Polacy powstaną,

 To składek zbierać nie będą narody,

 Lecz ogłupieją… i na pieśń strzelaną

 Wytężą uszy… odemkną gospody…

 I będą wieści z wichrami wchodziły,

 A każda będzie… serce ludów pasła;

 Nieznajomymi świat poruszą siły

 Na nieznajome jakieś wielkie hasła.

(1843-1849)

Am Schluss des Stücks ist keine andere Diagnose möglich als die, dass im Sinne dieser Tragödie die Entstehung des polnischen Volkes gewissermaßen einem Fehlstart gleichkommt, dem einer oder mehrere weitere Aufstands- und Entstehungsversuche folgen müssen, d.h. bereits hier ist die erschreckende Ideologie von Słowackis Dichtung Król-Duch (1847)vorgeprägt. Vgl. dazu eine höchst irritierende Passage aus dem Anhangsgedicht Grób Agamemnona, dem ‚fünften Chor’ der Tragödie:

O! Polsko! póki ty duszę anielską

Będziesz więziła w czerepie rubasznym,

Poty kat będzie rąbał twoje cielsko,

Poty nie będzie twój miecz zemsty strasznym,

Poty mieć będziesz hyjenę na sobie,

I grób – i oczy otworzone w grobie.

Zrzuć do ostatka te płachty ohydne,

Tę – Dejaniry palącą koszulę:

A wstań jak wielkie posągi bezwstydne,

Naga – w styksowym wykąpana mule,

Nowa – nagością żelazną bezczelna –

Nie zawstydzona niczém – nieśmiertelna.

Niech ku północy z cichéj się mogiły

Podniesie naród i ludy przelęknie,

Że taki wielki posąg – z jednéj bryły,

A tak hartowny, że w gromach nie pęknie,

Ale z piorunów ma ręce i wieniec;

Gardzący śmiercią wzrok – życia rumieniec.

(Grób Agamemnona, vv. 91 – 96)

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Eine ganz besondere Rolle kommt der tragischen Form und ihrer Unterminierung im Zusammenhang mit dem religiösen Thema zu. Die wenedische Religion wird ganz überwiegend mit Signalen tragischer Erhabenheit ausgestattet, während die christliche Sphäre auf geradezu blasphemische Weise mit Komödie und Farce konnotiert ist. Der komische Heilige Gwalbert, der sich einen leeren Odins-Schädel als Eremitenklause zurecht gemacht hat, ist der Prototyp des vollgefressenen, selbstgefälligen Provinzpfarrers, der jeden kleinen Vorteil für seine Sache ausbeutet, und dessen unbestreitbare Tapferkeit sich aus der egoistischen Aussicht speist, vielleicht als Märtyrer zu sterben; sein Heiligenschein hat etwas von peinlichster Theaterrequisite – s. den Dialog mit Ślaz zu diesem Thema (I, 2, vv. 70 – 77). Das Herumstolpern seines Adlatus Ślaz zwischen den Fronten ist nichts als eine Parodie des bereits selbst parodistischen Frontwechsels des Heiligen Gwalbert, der zunächst die Weneder christianisieren wollte, aber als sie ihm alle weggeschlachtet werden, sein Werk komisch resigniertbei den Lechiten fortsetzt (I, 2, vv. 38 – 46). Ślaz, katholischer Phrasendrescher, prinzipienloser Egoist, bedenkenloser Mörder und entsetzlich komischer Clown oder Hanswurst der Tragödie, ist Diener, Verräter und dann wieder Diener des Heiligen Gwalbert. Wenn schon früher erklärt wurde, dass die durch das blinde Fatum bestimmte Tragödie der Antike in moderner Zeit wegen der christlichen Heilserwartung nicht mehr möglich sei und die Tragödie daher in moderner Zeit zum Trauerspiel werde, radikalisiert Słowacki diese Idee in Lilla Weneda: die Einführung des Christentums vermittelt dieser Tragödie ein hochwirksames Moment tragischer Farce.

Die Opposition zwischen den beiden Religionen ist in diesem Stück allerdings keineswegs absolut. Die düstere Weneder-Priesterin Roza Weneda beauftragt bereits in II, 1 in offenkundiger Ratlosigkeit ausgerechnet Ślaz, den schrecklichen Hanswurst dieser Tragödie, den gefangenen König Derwid zu ermorden und die Wunderharfe herbeizuschaffen; damit hält ein Element aus Farce und Horror auch im wenedischen Bereich Einzug. Der Abschlachtung der Weneder durch die Lechiten, die Ślaz verschuldet, folgt keine tragische Katharsis, sondern ein schreiend unversöhnlicher Widerspruch zwischen Siegern und Besiegten[17]. Die goldene Marienerscheinung über dem Scheiterhaufen der besiegten Toten bestätigt geradezu den zornigen, radikal unversöhnlichen Schlussmonolog Polelums und die verächtliche Geste der Roza Weneda, mit der das Stück schließt (V, 8, vv. 310 – 336).

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Es gibt aber massive Anzeichen dafür, dass im Sinnaufbau dieser Tragödie das Christentum doch noch eine andere Rolle spielt als die einer bloßen Hanswurstiade[18].

Bei näherer Betrachtung erweist sich das Christentum in dieser Tragödie nämlich als Kippfigur, die vom Lächerlichen durchaus auch in die Ernsthaftigkeit (und wieder zurück) kippen kann.

In die Tragödie ist über ihren ganzen Verlauf hin ein christliches Bekehrungsdrama einkodiert, das zwischen den Extremen einer Gewaltbekehrung im Stil der Katholisierung der Indianer Mexikos durch die Spanier und dem inspirierenden Wirken einer erfindungsreichen Heiligen oszilliert[19]. Im Zentrum dieses Bekehrungsdramas steht Lilla Weneda, die vor Beginn der Tragödie Christin geworden ist (s. I, 2, vv. 53 f.). Ich halte es für möglich, dass im Sinne von Słowackis dramatischer Fiktion Lillas Übertritt zum Christentum im Zusammenhang damit steht, dass die Religion der Weneder und ihre Zauberharfe ihre Wirkung verloren haben (es heißt, die Harfe habe „seit drei Generationen“ nicht mehr gewirkt – IV, 4, v. 85); Lilla ersetzt im weiteren Verlauf der Tragödie symbolisch und schließlich durch ihre Leiche die Harfe. Das gesamte Handeln der einzigen ernsthaften Christin des Stücks, Lilla Weneda, ist das einer ihrer selbst nicht bewussten Heiligen, die auf die Seelen der Lechiten und der Weneder gerichtet ist. Lilla gewinnt am Ende, nach ihrem Tod, die Seele ihres Vaters Derwid, der sich vor seinem Selbstmord von seiner grausamen Priestertochter Roza, von der Religion der Harfe und von seiner Würde als König abwendet (V, 5, vv. 192 ff.), und sie gewinnt zuvor diejenige des Königs Lech[20]. Lech nimmt vor Beginn des 5. Akts ganz offensichtlich von Gwalbert das Christentum an. Der Grund dafür ist einerseits die Angst vor den zahlenmäßig und körperlich überlegenen Wenedern und ihren magischen Kräften[21], andererseits aber auch eine zunehmende menschliche Anrührung durch Lillas selbstloses Verhalten. Nur mit der zumindest förmlichen Bekehrung Lechs zum Christentum ist zu erklären, warum Gwalbert mit seinem Kreuz auf Seiten der Lechiten an der letzten Schlacht teilnimmt, warum er zu Beginn des 5. Akts vor dem Beginn des Kampfes mit den angsteinflößenden Wenedern dem Lechitenkönig „im Namen des Kreuzes den Sieg“ schenkt (V, 1, vv. 1 f.), warum er auf dem Schlachtfeld die halbtoten Ritter tauft (V, 6, vv. 246 – 247), und schließlich warum Lech die überlebenden Weneder als „Heiden“ anredet „Haltet ein, Heiden, ich bringe euch das Leben“ (V, 8, v. 310)[22]. Der Sieg im Namen des Kreuzes vollzieht sich allerdings in massenhafter Tötung der widerstandslosen Weneder. –

Lilla handelt zwar mit Unterstützung der Gottesmutter, der sie ihre Jungfräulichkeit geweiht hat[23], aber die Wunder, die sie tut, sind menschlicher Art, und die ihr gewährte himmlische Hilfe erweist sich als höchst unzureichend – kein göttliches Wirken verhindert den Mord an Lechon, an Lilla selbst, oder am Volk der Weneder. Die Religion der Christen ist also letztlich ebenso kraftlos wie die in einer Götterdämmerung dahingegangene Religion der Weneder. Wenn sie nicht als bloße Karikatur einer Religion zu verstehen ist, dann signalisiert sie, im Übergang vom magischen Dingsymbol der Harfe zur Menschengestalt der Christin Lilla, die Entlassung in die Selbstangewiesenheit der Menschen.

Ein gutes Beispiel für das Fungieren des christlichen Themas als Kippfigur ist die Marienvision einschließlich der gesamten Schlussszene der Tragödie. Im Zusammenhang des hier angenommenen Bekehrungsdramas in der Tragödie müsste die Marienerscheinung die siegreiche Apotheose des Christentums sein. Słowacki verleiht ihr allerdings eine prekäre Vieldeutigkeit. Zum einen gestaltet er das Finale als Konkurrenz oder Koexistenz heidnischer und christlicher Wunder – direkt vor der Marienerscheinung weist der überlebende wenedische Königssohn Polelum, an seinen im Kampf getöteten Bruder Lelum gekettet, die Gnade der Christen Lech und Gwalbert ab und erzwingt vom Himmel kraft seiner Kette einen Blitz, der ihn und die Leichen seines Volkes einäschert. In Polelums Monolog steckt übrigens eine Anknüpfung an die Gottesherausforderung von Mickiewiczs Konrad in der „Großen Improvisation“ der Dziady III. Zum anderen erhält die Marienerscheinung selbst eine doppelte Bedeutung.

Über dem Scheiterhaufen der Weneder erscheint die Gottesmutter direkt nach dem vernichtenden himmlischen Blitz. Das wirkt unmittelbar wie ein Zeichen himmlischer Hilflosigkeit gegenüber der Empörung des Gotteskämpfers Polelums, gegenüber der Hinschlachtung eines ganzen Volkes, aber auch als Zeichen der himmlischen Liebe für das unterlegene Volk. Hier ist eine umdeutende Anleihe an der Schlussszene von Krasińskis Un-Göttlicher Komödie zu sehen, wo Christus dem siegreichen Revolutionär Pankracy erscheint und ihn durch die Gewalt seiner Erscheinung tötet. Über alledem gerät aber leicht in Vergessenheit, dass Maria insbesondere über der ihr anvertrauten Lilla erscheint, der sie ihre Hilfe zuvor über Gwalbert visionär versprochen hatte (III, 6, vv. 371 – 381), deren Schicksal sie aber nicht abwenden konnte, und deren Überreste nun unter denen ihres wenedischen Volkes liegt. Auf die Erscheinung reagieren Gwalbert mit der anbetenden Formel „Ave, Unsterbliche“, der beeindruckte Neuchrist Lech mit dem bewusst etwas komisch-naiven Ausruf „Wunderbares Gespenst im Kreis von Flammen“ – sowie Roza mit einer Verächtlichkeitsgeste gegenüber demselben Lech, dem Gwalbert zu Beginn der Tragödie ‚im Namen des Kreuzes den Sieg gegeben’ hatte.

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Die tragödienfremden Elemente – namentlich der zwischen Panoptikum und ernstem Bekehrungsdrama stehende christliche Strang, immerhin Hauptstrang der Handlung der Titelfigur – beschädigen oder deformieren die Form der Tragödie zwar, verleihen ihr aber gerade dadurch auch eine neue Kraft. Um es mit einem Bild zu sagen, das Słowacki im ersten Anhangsgedicht verwendet: die gesamte Tragödie, und namentlich der Scheiterhaufen mit der Asche des Wenedervolkes in der Schlussszene des Dramas, sind eine „Pyramide des Gedankens“, die Errichtung einer symbolischen Pyramide[24] der zeitenüberdauernden Erinnerung, die der Dichter im Sinne des ersten Zusatzgedichts für die polnische Kollektivseele mit ihrer selbstentfremdenden Verinnerlichung von Überfremdung und Unterwerfung errichten wollte – und zwar  für das wenedische Heidentum, aber eben gewiss auch für die christliche Tat der Lilla Weneda.

Das christliche Thema als Kippfigur, die zwischen kabarettistischer Hanswurstiade und zentralem Element des Sinnaufbaus oszilliert, ist auch in Gombrowiczs Ślub zu finden, wo Bischof Pandulf als Lachnummer oder als Augenöffner für eine ganze Sinndimension des Stücks auftritt: Ślub hat den scheiternden Versuch einer willkürlichen Wiederherstellung des im 2. Weltkrieg vernichteten Heiligen aus menschlicher Kraft zum Thema. Zwischen Słowackis komischem Heiligen Gwalbert und Gombrowiczs mehr oder weniger komischem Bischof Pandulf bestehen wohl mehr Beziehungsmöglichkeiten, als man vielleicht annehmen möchte.

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Fragt man nach den Gründen für die Katastrophe, die in erster Linie die Weneder betroffen hat, obwohl sie die Edleren, Größeren und Zahlreicheren waren, so bietet sich als erstes eine Antwort im Sinne des aufgeklärten Diskurses an. Die magische Religion der Weneder, namentlich ihr Glaube an das siegspendende Lied ihrer Zauberharfe, hat gegenüber dem religionslosen, quasi modernen Pragmatismus der Lechiten keine Chance. Zwar bietet sich das Christentum vom Beginn bis ganz zum Schluss der Tragödie als neue Religion zuerst den Wenedern, und dann den Lechiten an, doch scheint im Sinne dieses selben aufgeklärten Diskurses festzustehen, dass es trotz der spektakulären und zeitweilig sogar erfolgreichen Handlungen der Neuchristin Lilla Weneda völlig substanzlos ist. Von den drei Vertretern des Christentums auf der Bühne sind zwei indiskutable Karikaturen – der komische Heilige Gwalbert und sein prinzipienloser Adlatus Ślaz, der Clown dieser Tragödie, der das große Gemetzel des 5. Aktes verschuldet. Die Christin Lilla wird von Gwinona erwürgt, ihr Volk endet in nahezu passiv hingenommener Vernichtung, und die vom Heiligen Gwalbert sozusagen bestellte Gottesmutter erscheint erst in dem Moment, als außer Roza alle Weneder tot sind. Selbst die Tatsache, dass – nach meiner Lesart – König Lech vor dem 5. Akt zumindest formell das Christentum annimmt, bevor er in die letzte Schlacht gegen die Weneder zieht, trägt offenbar nicht zur Hebung des Prestiges dieser Religion bei, sondern scheint anzudeuten, dass die Kirche immer bei den stärkeren Bataillonen ist. Die Katastrophe der Weneder ereilt in dieser Sicht also auch alle Mythologien und Religionen. Nach der Katastrophe übrig bleibt der Pragmatismus lechitischer Art, der höchstens auch ein lässig praktiziertes Christentum impliziert.

Diesem aufgeklärten Diskurs hing zeitweilig auch der in jüngeren Jahren außerordentlich kirchen- und religionskritische Słowacki an, und es finden sich starke Spuren davon im Text der Tragödie. Jedoch hatte der Dichter spätestens während seiner Orientreise auf eigenwillige Weise zum Christentum zurückgefunden. Die literaturwissenschaftliche Redlichkeit gebietet es daher, auch der entgegengesetzten, christlichen Spur nachzugehen. Diese ist in der Titelfigur angelegt. Von Lilla Weneda hat zwar der scharfzüngige Cyprian Norwid gesagt, sie erinnere an eine alabasterweiße Statue, die als Fassadenelement einen Balkon trägt[25], und sicher fehlt es bei dem geradezu ironiesüchtigen Słowacki nicht an kleinen Flämmchen des liebevollen Spotts auch über diese Figur. Aber für seine Verhältnisse ist Lilla Weneda alles in allem durchaus keine Karikatur, sondern trotz aller nicht ganz realen Mädchenhaftigkeit eine ernsthaft konzipierte Gestalt. Lilla ersetzt im Verlauf der Tragödie durch ihre Person symbolisch die Harfe, was motivisch lange vorbereitet und am Schluss ganz konkret in szenische Realität umgesetzt wird: in Akt V, Szene 5 wird Derwid aus dem Lager der Lechiten anstatt der Harfe die Leiche Lillas gebracht, der auf ihren Haaren sein letztes Lied spielt. Im Moment der Katastrophe wird also die auf das Dingsymbol der Harfe gerichtete Magie in ein zugleich menschliches und christliches Prinzip überführt. Lillas Handeln im Interesse des Lebens ihres Vaters hat den höheren Sinn, den Lechiten, vertreten durch König Lech, einen Sinn für das Christentum zu vermitteln. So gesehen erscheint Lilla in ihrem ganzen Handeln gleichsam als Christentum in Aktion und in Person. Sie ist im Gegensatz zu ihrer todessüchtigen Schwester Roza dem Leben und dem Lachen zugewandt (Prolog, v. 69), sie wird durch ihr selbstverleugnendes Handeln, durch ihr Keuschheitsgelübde, durch ihr offenkundiges Leiden zur christlichen Glaubenszeugin, also im ursprünglichen Sinne Märtyrerin. Ihre Ermordung durch Gwinona scheint dies am Ende zu besiegeln.

Die Entscheidung zwischen diesen beiden kontroversen Lesarten liegt beim Leser, und beim Regisseur einer Aufführung des Stücks, aber, wie mir scheint, nicht in unbeschränkter Weise. Nur ein deutliches Mitdenken der jeweils verworfenen Lesart würde dem Kippcharakter und dem romantisch-tragischen Gehalt dieses bemerkenswerten Theaterstücks gerecht.


[1] Bearbeitete schriftliche Fassung des Vortrags auf dem Potsdamer Colloquium. Aus Słowackis Lilla Weneda und den Anhangsgedichten wird zitiert nach der Ausgabe J. Słowacki, Dzieła Wszystkie. Pod red. J. Kleinera. Tom IV, Wrocław etc. 19532, unter Angabe der Aktzahl (römisch), Szenenzahl (arabisch) und der Verszeilen (arabisch); Übersetzungen stammen vom Verf. (R.F.). Der volle Titel der Originalausgabe lautet Lilla Weneda. Tragedija w 5 aktach przez J.S., Paryz 1840; sie besteht aus einem Prosavorwort(„Do autora Irydiona List IIgi”), einem Personenverzeichnis, einem Prolog und fünf Akten. Die Akte I – IV werden jeweils vom Chor der zwölf Harfner kommentiert und abgeschlossen. Der Ausgabe sind ferner zwei längere Gedichte beigefügt, List do Aleksandra H. (pisany na łódce Nilowéj) sowie Ułamek z greckiéj podróży. Grób Agamemnona , die beide in engem Zusammenhang mit den Themen der Tragödie stehen; das zweite ist laut Vorwort „der letzte Chor des Dichters“ – nach vier Chören der Harfner.

[2] Der negative, aggressive Zug an Słowackis Lechiten widerspricht übrigens zeitgenössischen idyllischen legendären Vorstellungen über den friedlichen Staatsgründer Lech, vgl. A. Kowalczykowa, Słowacki, Warszawa 1994, S. 320 f. .

[3] Die nach Art der Märchen konzipierte Wette besagt: dreimal wird Gwinona den gefangenen Derwid in Lebensgefahr bringen; dreimal darf Lilla versuchen, ihren Vater zu retten; gelingt es ihr beim dritten mal nicht, so ist ihr Leben verwirkt. Der Axtwurf der Söhne auf das Haar, an dem ihr königlicher Vater Derwid aufgehängt ist, erinnert an Schillers Tell, Lillas Harfenlied, das die Schlangen besänftigt, die Derwid fressen sollten, erinnert an die Edda, und die Ernährung des dem Hungertod ausgesetzten Derwid durch Blüten von einem Lilienkranz auf Lillas Haupt entspricht einem Folkloremotiv, das auch Byron verwendete. (J. Kleiner, Słowacki. Dzieje twórczości, t. 2, Warszawa 19992 , S. 315)

[4] Słowacki verfährt dabei ähnlich wie schon im Vorspiel zum Kordian, wo er die – vermeintlichen oder wirklichen – Ursachen der Katastrophe des gescheiterten polnischen Aufstandes von 1830/31 in den (teuflischen) Akt der Erschaffung der Polen des 19. Jahrhunderts hineinprojiziert.

[5] Aber auch die Weneder sind von der Kritik des Autors keineswegs ausgenommen: sie lassen sich ab einer bestimmten Phase des Kampfes widerstandslos abschlachten, und Roza stellt in einem visionären Traum bei Öffnung ihrer Leichen das Erbleichen bzw. sogar das Verschwinden ihrer Herzen fest (IV, 4, vv. 462 – 476)

  • [6] Bei Słowacki tritt diese Einstellung besonders im Vorwort zum 3. Band seiner Dichtungen (1833) zutage, der mit dem Poem Lambro  beginnt, sowie im Vorspiel („Przygotowanie“) zu Kordian (1834) und in dem ganzen Stück, beide in Dzieła Wszystkie, t. II, Wrocław etc. 1952

[7] Der Anfang suggeriert eine Anspielung auf das höchst laszive Endymion-Gemälde(Le Sommeil d’Endymion) des Anne-Louis Girodet-Trioson, 1792, musée du Louvre (INV 4935), s. http://www.hellenica.de/Griechenland/Mythos/Endymion.html

[8] S. hierzu S. Zabierowski, Tragedia Wenedyjska J. Słowackiego, Katowice 1981, 83 – 100. Słowacki hatte schon lange mit der Tragödienform experimentiert. Mindowe und Maria Stuart (1832) erwachsen gleichsam unmittelbar aus der vielschichtigen klassizistischen Tragödientradition (u.a. Euzebiusz Słowacki, Antoni Hoffman, Franciszek Wężyk, Józef Korzeniowski). Nach der hochromantischen politischen Tragödie Kordian (1834) folgen die romantische Märchentragödie  Balladyna (entstanden 1834; publ. 1839) und die Mantel- und Degen-Tragödie Mazepa (1840), die einen vom spanischen Barockdrama angewehten mystischen Kern birgt.

[9] J. Kleiner, op. cit., 317, behauptet, Hauptmodell bliebe Shakespeare (was erwägenswert ist), dass aber das griechische Hauptmodell im Gegensatz zur Euripideserwähnung im Vorwort doch eher Aischylos sei.

[10] Man denke an das Taschentuch in Shakespeares Othello.

[11] Zur rhythmisch-metrischen Originalität der Reden Rozas sowie des Chores vgl. J. Kleiner, op. cit., S. 316 – im Gegensatz zu T. Sinko, op. cit..

[12] J. Kleiner, op. cit.,, T. Sinko, Hellenizm Juljusza Słowackiego, Warszawa 1925, S. 189 – 205 und S. Zabierowski, op. cit. verzeichnen diese und weitere Anklänge an die antike Tragödie.

[13] J. Kleiner, op. cit., S. 280 f.

[14] J. Kleiner, op. cit., 274 ff. sieht eine Synthese von Keltischem und Germanischem (Ossian, Klopstock etc.); Zabierowski, op. cit., S. 74 , deutet die 12 Druidensteine der Weneder als Anspielung auf die 12 Stämme Israels.Gäbe es slavisch-mythologische Motive in dem Stück, hätte M. Janion, Niesamowita slowiańszczyzna. Fantazmaty literatury, Kraków 2006, diese wohl besonders hervorgehoben.

[15] Nicht nur die gescheiterte Insurrektion von 1830/31, sondern eine Serie von mehr oder weniger gescheiterten Erhebungen seit der Barer Konföderation gegen die damalige russische Dominanz im Reich August Poniatowskis.

[16] Vgl. dazu auch die harte Formel von Polen, das einst „Papagei und Pfau der Völker“ gewesen sei (Grób Agamemnona, v. 110).

[17] Vgl. dazu auch die berühmte Äußerung Derwids zu Gwinona:

Nigdy! o! nigdy, piekielna!

Ty nie usłyszysz pieśni niewolnika,

Nigdy ta ręka od łańcuchów sina

Strun się nie dotknie! Nigdy moje oczy

Łez nie wyleją, póki te łzy moje

Mogą posłużyć wam na wywołanie

Z ust okrwawionych serdecznego śmiechu.

O! nie — nigdy wy z króla niewolnika

Nie uczynicie służalca harfiarza.

Ta pieśń, co do krwi pędziła rycerze,

I w miecze kładła dusze nieśmiertelne,

I wścieklizną swą ducha ojczystego

Dawała mieczom ząb, co gryzł wam kości

I truł wam rany: nie zabrzmi w niewoli.

Możecie wy tę harfę wziąć i rzucić

W ogień i ogrzać przy niej ręce wasze,

I wasze trupie twarze rozczerwienić,

Możecie spalić ją, ale nie zgwałcić.

(I, 3, vv. 198 – 215)

[18] In seinem gehaltvollen Kapitel „Ante legem, sub lege, sub gratia“ geht S. Zabierowski, op. cit., S. 52-67, ausführlich auf die alt- und neutestamentlichen Anklänge in Lilla Weneda ein, namentlich in Bezug auf den Heiligen Gwalbert und auf Lilla Weneda. Was ihm aber auch entgeht, ist die – in der Tat sehr implizit und verschlüsselt dargebotene – Tatsache, dass König Lech vor Akt V das Christentum annimmt. Słowacki selbst legt eine unmissverständliche Spur im ersten Anhangsgedicht:

Zamiast balsamu tego, co trupy przechował,

Chrystus nam łona naszych dusz nabalsamował;

I duszę ludzką duszą namaściwszy własną,

Uczynił ją na wieki niezgonną i jasną.

(List do Aleksandra H., vv. 179 – 182)

[19] Ein selten beachteter Subtext in Lilla Weneda  sind die verborgenen Anspielungen auf die Unterwerfung und Christianisierung Mexikos durch eine kleine Gruppe von Spaniern unter Hernán Cortés, die spätestens seit der Aufklärung auch als moralischer Skandal wahrgenommen wurde. Der Ablauf dieser Eroberung weist einige Parallelen zum Kampf der Lechiten mit den Wenedern auf. Słowackis Verhältnis zur hispanischen Welt verdient eine zusammenfassende Studie. Offen bleiben vorerst auch die genaueren literarischen Quellen des heimlichen Bekehrungsdramas in der Tragödie.

[20] IV, 3, vv. 375 – 381 und vv. 391 – 394

[21] S. Lechs Formulierung dieser Angst im Streit mit Gwinona IV, 3, ww. 158 – 183

[22] Hervorhebung von mir.

[23] I, 2, vv. 104 – 119; s auch Lillas Abschied von Lelum, ihrem Bruder und Verlobten in III, 3.

[24] Vgl. dazu das Motiv der Shakespeareschen « Pyramiden » (Macbet, King Lear, Otello) in List do Aleksandra H. , vv. 101 – 112.

[25]. O Juliuszu Słowackim w sześciu publicznych posiedzeniach. 1860, in: C. Norwid, Pisma wszystkie, t. 6, Warszawa 1970, S. 405 – 463, hier S. 460